Antonioni ist einer der Filmemacher die „uns das Geräusch des Lebens näher gebracht haben“ , weshalb sie auch die vielfältige und komplexe sonore Landschaft seines Kinos widerspiegeln . Diese sonore Landschaft ist weit entfernt von der seiner zeitgenössischen Regisseure, die sich eher der traditionellen Musik aus dem Ende des 19. Jh. bedienten und an Lieder und volkstümliche Musik, deren Einsatz als Geräuschkomponente eine banal mimetische Funktion hatten, lässige Zugeständnisse machten. In seinen Filmen verlieh Antonioni hingegen einzelnen Universen das Leben, welche aus seiner überzeugten Abneigung gegen die Musik für Filme entsprang, die von ihm ihrer traditionellen Funktion, welche das italienische Kino ihr zur scheinbaren Erleichterung des Betrachtens des Films für das Publikum als traditionelle Begleitung oder als Kommentar zu den Bildern in Bewegung bis dahin zugeschrieben hatte, buchstäblich enthoben wurde . Sein weit über eine gewöhnliche und spontane Abneigung hinausgehendes „Nein“ an die Musik hat tiefgreifende Gründe, die von der Notwendigkeit stilistischer Schärfe, unterstützt von der Überzeugung so wenig Mittel wie möglich einzusetzen, bis hin zum Willen, nicht zu explizit zu sein, reichen, weshalb Antonioni auch oft eher durch Subtraktion gegenüber dem Gebräuchlichen arbeitet . Hinzu kommt die Verneinung eines emotionalen Wertes der Musik und das Erkennen um die Problematik der Beziehung zwischen dem visuellen Element und sonoren Kommentar, die weit entfernt davon ist, sich als einfache Komplementarität darzustellen und somit grundsätzliche Entscheidungen mit sich führt, die ganz anders, als die bis dahin getroffenen, ausfallen. Die Ablehnung der „von der Musik geschätzten“ Filme, um es mit Robert Breton auszudrücken , erscheint tief verwurzelt und beeinflusst auf eine extrem kohärente Art und Weise die Ausgestaltung der Partituren des eigenen Kinos, die, nach einem weiteren Zitat des französischen Regisseurs, von einer bestimmten Ermahnung vorgegeben zu sein scheinen: „Keine Musik zur Begleitung, zur Unterstützung oder Betonung. Keine Musik“ . Gleichzeitig dehnt der Regisseur die Domäne der Klänge sehr weit aus, und zwar so weit, dass sich die musikalischen, für seine Filme notwendigen Elemente nicht in einer einfachen Komposition vortrefflicher musikalischer Partituren erschöpfen, in denen sogar elektronische Musik durchdringt, sondern auch Stimmen, Klänge und Geräusche enthalten, welche manchmal auf dem Set entdeckt oder gesucht werden und von denen Antonioni sagen wird, „sie seien die für seine Bilder die geeignetste Musik“ . Er wird zum Gedanken gelangen, eine Partitur aus Geräuschen zu schöpfen, wobei die poetische Modalität, mit der sie in einer filmischen Erzählung organisiert werden, hervorgehoben wird. In dem Kino des Regisseurs aus Ferrara haben wir es daher mit einer rein kinematografischen Musikalität zu tun, die aus einer sehr aufmerksamen Haltung gegenüber der akustischen Realität entspringt und die sich innerhalb der Komplexität einer filmischen Erzählung aufgrund derer multimedialen Natur als äußerst wichtig entpuppt.

“Die Musik, die sich besser den Bildern anpasst”. Musik, Klänge und Geräusche in den Filmen von Michelangelo Antonioni,

CALABRETTO, Roberto
2016-01-01

Abstract

Antonioni ist einer der Filmemacher die „uns das Geräusch des Lebens näher gebracht haben“ , weshalb sie auch die vielfältige und komplexe sonore Landschaft seines Kinos widerspiegeln . Diese sonore Landschaft ist weit entfernt von der seiner zeitgenössischen Regisseure, die sich eher der traditionellen Musik aus dem Ende des 19. Jh. bedienten und an Lieder und volkstümliche Musik, deren Einsatz als Geräuschkomponente eine banal mimetische Funktion hatten, lässige Zugeständnisse machten. In seinen Filmen verlieh Antonioni hingegen einzelnen Universen das Leben, welche aus seiner überzeugten Abneigung gegen die Musik für Filme entsprang, die von ihm ihrer traditionellen Funktion, welche das italienische Kino ihr zur scheinbaren Erleichterung des Betrachtens des Films für das Publikum als traditionelle Begleitung oder als Kommentar zu den Bildern in Bewegung bis dahin zugeschrieben hatte, buchstäblich enthoben wurde . Sein weit über eine gewöhnliche und spontane Abneigung hinausgehendes „Nein“ an die Musik hat tiefgreifende Gründe, die von der Notwendigkeit stilistischer Schärfe, unterstützt von der Überzeugung so wenig Mittel wie möglich einzusetzen, bis hin zum Willen, nicht zu explizit zu sein, reichen, weshalb Antonioni auch oft eher durch Subtraktion gegenüber dem Gebräuchlichen arbeitet . Hinzu kommt die Verneinung eines emotionalen Wertes der Musik und das Erkennen um die Problematik der Beziehung zwischen dem visuellen Element und sonoren Kommentar, die weit entfernt davon ist, sich als einfache Komplementarität darzustellen und somit grundsätzliche Entscheidungen mit sich führt, die ganz anders, als die bis dahin getroffenen, ausfallen. Die Ablehnung der „von der Musik geschätzten“ Filme, um es mit Robert Breton auszudrücken , erscheint tief verwurzelt und beeinflusst auf eine extrem kohärente Art und Weise die Ausgestaltung der Partituren des eigenen Kinos, die, nach einem weiteren Zitat des französischen Regisseurs, von einer bestimmten Ermahnung vorgegeben zu sein scheinen: „Keine Musik zur Begleitung, zur Unterstützung oder Betonung. Keine Musik“ . Gleichzeitig dehnt der Regisseur die Domäne der Klänge sehr weit aus, und zwar so weit, dass sich die musikalischen, für seine Filme notwendigen Elemente nicht in einer einfachen Komposition vortrefflicher musikalischer Partituren erschöpfen, in denen sogar elektronische Musik durchdringt, sondern auch Stimmen, Klänge und Geräusche enthalten, welche manchmal auf dem Set entdeckt oder gesucht werden und von denen Antonioni sagen wird, „sie seien die für seine Bilder die geeignetste Musik“ . Er wird zum Gedanken gelangen, eine Partitur aus Geräuschen zu schöpfen, wobei die poetische Modalität, mit der sie in einer filmischen Erzählung organisiert werden, hervorgehoben wird. In dem Kino des Regisseurs aus Ferrara haben wir es daher mit einer rein kinematografischen Musikalität zu tun, die aus einer sehr aufmerksamen Haltung gegenüber der akustischen Realität entspringt und die sich innerhalb der Komplexität einer filmischen Erzählung aufgrund derer multimedialen Natur als äußerst wichtig entpuppt.
2016
9783896936608
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Utilizza questo identificativo per citare o creare un link a questo documento: https://hdl.handle.net/11390/1082972
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