Hölderlins Gedicht "Mnemosyne" – oder was unter diesem Titel bekannt ist – gehört zu den wichtigsten Kompositionen des „Homburger Foliohefts“. Seine Textkonstitution ist jedoch umstritten, während seine ausgedehnte Symbolik jeden hermeneutischen Zugang erschwert. Der vorliegende Beitrag versucht die Funktion zu erläutern, die in diesem Gedicht dem Mythos der Mnemosyne zugeschrieben wird. Dabei soll besonders der Frage nachgegangen werden, inwiefern die Wörter „Die Nymphe“, die in der Handschrift vor dem vermutlichen Titel Mnemosyne stehen, noch zu der Überschrift gerechnet werden können, und welche Konsequenzen sich daraus für die Gedichtinterpretation ergeben. Die These vom dem „Tod“ Mnemosynes (oder ihrer Stadt Eleuthera) soll in diesem Rahmen einer grundlegenden kritischen Revision unterzogen werden. Aufgrund einer Erforschung der Quellen, aus denen der Autor geschöpft haben dürfte (einer Untersuchung die auch zur Datierung beitragen kann), läßt sich zeigen, daß der Text hier bewußt den Mythos der Geburt der Musen einsetzt, der einen erotischen Akt impliziert. Grundlegend erscheint mir dabei das Problem einer „Überwindung der Trauer“, das Hölderlin schon bei anderen Gedichten dieser Zeit (wie z.B. Germanien oder Der Einzige) in Angriff nimmt. Daß das poetische Gedächtnis nicht Trauerarbeit (die „fehlgeht“), sondern stiftendes Andenken sein muß, zeigt eine andauernde kritische Auseinandersetzung mit der Poetik Schillers, die Hölderlin noch nach 1802 wesentlich prägt.

Mnemosyne: eine Nymphe?

REITANI, Luigi
2008-01-01

Abstract

Hölderlins Gedicht "Mnemosyne" – oder was unter diesem Titel bekannt ist – gehört zu den wichtigsten Kompositionen des „Homburger Foliohefts“. Seine Textkonstitution ist jedoch umstritten, während seine ausgedehnte Symbolik jeden hermeneutischen Zugang erschwert. Der vorliegende Beitrag versucht die Funktion zu erläutern, die in diesem Gedicht dem Mythos der Mnemosyne zugeschrieben wird. Dabei soll besonders der Frage nachgegangen werden, inwiefern die Wörter „Die Nymphe“, die in der Handschrift vor dem vermutlichen Titel Mnemosyne stehen, noch zu der Überschrift gerechnet werden können, und welche Konsequenzen sich daraus für die Gedichtinterpretation ergeben. Die These vom dem „Tod“ Mnemosynes (oder ihrer Stadt Eleuthera) soll in diesem Rahmen einer grundlegenden kritischen Revision unterzogen werden. Aufgrund einer Erforschung der Quellen, aus denen der Autor geschöpft haben dürfte (einer Untersuchung die auch zur Datierung beitragen kann), läßt sich zeigen, daß der Text hier bewußt den Mythos der Geburt der Musen einsetzt, der einen erotischen Akt impliziert. Grundlegend erscheint mir dabei das Problem einer „Überwindung der Trauer“, das Hölderlin schon bei anderen Gedichten dieser Zeit (wie z.B. Germanien oder Der Einzige) in Angriff nimmt. Daß das poetische Gedächtnis nicht Trauerarbeit (die „fehlgeht“), sondern stiftendes Andenken sein muß, zeigt eine andauernde kritische Auseinandersetzung mit der Poetik Schillers, die Hölderlin noch nach 1802 wesentlich prägt.
2008
9788846712745
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